Dem «blauen Band» auf der Spur

Die Sterneküche hat es wiederentdeckt, in Privathaushalten gehört es seit Jahrzehnten zum Standardrepertoire und neuerdings huldigen ihm sogar die Hipster von Basel bis Berlin: Die Rede ist vom Cordon bleu. Das mit Käse- und Schinkentranchen gefüllte Kalbsplätzli gilt als einer DER Küchenklassiker im deutschsprachigen Raum. Wo cremiger Käse auf würzigen Schinken trifft, in hauchzartem Kalbfleisch verpackt und mit knuspriger Panade ummantelt, flippen die Geschmacksknospen aus. Und so vielfältig wie die Texturen, die beim Cordon bleu aufeinanderprallen, sind die Geschichten, die sich um das «blaue Band» ranken.

Historie: Wer hat’s erfunden?

Macht man sich auf, die Wurzel des Cordon bleus freizulegen, stösst man auf allerlei Seemannsgarn und Legenden. Die einen behaupten, die Anfänge lägen am Hofe des französischen Königs. Andere schreiben das Cordon bleu einem Schweizer Schiffskoch zu, der in den frühen 1930er-Jahren auf dem Schnelldampfer «Bremen» über die Weltmeere fuhr. Nachdem man gerade zum zweiten Mal den transatlantischen Geschwindigkeitsrekord – das «Blaue Band» – geknackt hatte und Seebär Leopold Ziegenbein für seine Mannschaft «was mit Käse» wünschte, stopfte der Schweizer Smutje spontan Käse in das bereits zurechtgeschnittene Kalbsfleisch und veredelte die Kreation mit einer Panade aus angetrocknetem Brot. Zu Ehren des gerade eingefahrenen Preises nannte er sein Werk «Cordon bleu». Eine weitere – und die mit Abstand plausibelste – Geschichte spielt im Wallis, wo vor zwei Jahrhunderten eine fleissige Köchin vor einer rechten Herausforderung stand: Es hatten sich für den Mittag 30 Gäste angemeldet; sie wollten Schweinskarree. Mit 30 weiteren hungrigen Mäulern, die wie aus dem Nichts erschienen und gleichermassen nach Schweinskarree verlangten, hatte niemand gerechnet. Und weil Expresslieferungen damals noch wenig verbreitet waren, half nur eine List: Die findige Köchin schnitt das Schweinskarree kurzerhand in 60, nicht 30, Portionen und «streckte» diese mit Walliser Schinken und Käse. Begeistert, wie er war, wollte der Patron seiner Köchin ein «cordon bleu» (französische Ehrbezeugung) verleihen. Sie lehnte jedoch dankend ab. Bänder – gleich, welcher Couleur – brauche sie keine. Wenn der Herr Patron das Gericht allerdings gerade SO benennen möge, dann spräche nichts dagegen.

Variationen: Darf’s ein bisschen ausgeflippt sein?

Fast ebenso bunt wie die Entstehungslegenden sind die Variationen, in denen das Cordon bleu auf unseren Tellern landet. Seit den Ursprüngen – mögen sie auf dem Atlantik liegen, in Frankreich oder im Wallis – hat sich da allerhand getan. So schwören etwa die Tessiner heute bei «ihrem» Cordon bleu auf Rohschinken, Gorgonzola und Pesto. Beim Älpler-Cordon-bleu geht nichts über Schweinefleisch aus der Region, Küssnachter Käse, Schinken und Speck. Für einen perfekten Mix aus Textur und Geschmack greift man nicht nur in der Ostschweiz auf das Cordon-bleu-Rezept mit dem Thurgauer Käse-Star zurück. Der Rote Tilsiter, wie auch der Schwarze Tilsiter Extra sind prädestiniert für eine harmonische Geschmacksexplosion. Fribourg und Bern haben wiederum ihre ganz eigenen Cordon-bleu-Variationen auf der Speisekarte. Daneben gibt es Wild-Cordon-bleus (mit Hirschfilet und Jägerschinken), vegetarische Cordon bleus (mit Auberginen oder Kohlrabi) und ausgeflippte Kombinationen mit Ananas und Banane – erlaubt ist, was schmeckt! Dass die eidgenössische Lebensmittelverordnung für «echte» Cordon bleus Kalbsfleisch voraussetzt, interessiert da kaum jemanden.

Trivia: Rekordverdächtig!

Sehr streng und amtlich ging es dagegen im September 2019 in Brig zu. Es stand viel auf dem Spiel. Drei Jahre zuvor hatte sich Altstätten, eine Gemeinde in der Ostschweiz, zum Cordon-bleu-Weltmeister aufgeschwungen. Mit einem mehr als 41 Meter langen Monsterteil hatte man sich dort den Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde gesichert. Diese Schmach konnte man im Wallis – der Wiege des Cordon bleus – nicht auf sich sitzen lassen! Brig holte zum Gegenschlag aus und fuhr den Sieg nach Hause. Sagenhafte 60 Meter Länge (Altstätten: 41) und ein Gewicht von rund 200 Kilogramm (Altstätten: 140 Kilogramm) liessen die Konkurrenz aus der Ostschweiz alt aussehen. In der Disziplin «Längstes Cordon bleu der Welt» ist Brig seither ungeschlagen. Freiwillige vor!